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Weltethos und Hinduismus

(Newsletter 2013-4)

Die Erklärung des Parlaments der Weltreligionen bekräftigt den gemeinsamen Bestand von Kernwerten. Weitgehend entsprechen die darin enthaltenen Forderungen auch dem hinduistischen Anspruch auf gesellschaftliche Tugenden, auf ethische Lehren, die teilweise Jahrtausende alt sind. Neben der persönlichen Ethik zur Reinigung der Psyche des Individuums formulierten hinduistische Weise auch eine gesellschaftliche Ethik. Der damit verbundene allgemeine Dharma (Pflicht) soll den Menschen von Egoismus, Gewalt, Gier und vielen anderen Übeln befreien und dadurch das soziale Wohlbefinden fördern.

Weniger als viele vermuten,
unterscheiden sich hinduistische Lebensregeln von jenen anderer Religionen. So kann beispielsweise jeder Hindu Sararipu, die „Sechs Feinde“ aufzählen, zentrale Untugenden, die Individuum und Gesellschaft ins Verderben führen: lobha (Gier, Geiz), mada (Hochmut), matsarya (Eifersucht und Neid), krodha (Zorn), kama (weltliche Begierden, Sinneslust ), moha (geistige Verblendung). Dieselben kennen Christen als die „Sieben Todsünden“. Letztlich sind es diese global als grundlegende Übel erkannten Eigenschaften, die Menschenrechte verhindern und Frauenrechte vorenthalten. Sowohl Hochmut als auch Gier beuten Natur und Menschen rücksichtslos aus.

In Übereinstimmung mit Forderungen aus der Erklärung zum Weltethos verlangen hinduistische Überlieferungen als allgemeine Regeln an erster Stelle Wahrheit (satya) und Gewaltfreiheit (ahimsa), aber auch Mitgefühl (daya) und Mildtätigkeit (danam) zählen zu den essentiellen Voraussetzungen für ein gedeihliches Gemeinschaftsleben. Das populäre Epos Mahabharata postuliert: „Mitgefühl und Güte ist der höchste Dharma (Pflicht) der Guten“.

Selbst das so problematische soziale System, das hinduistische Kastenwesen, ist nicht als Mittel zur Degradierung von Menschengruppen gedacht. Ursprünglich eine berufsbezogene, gesellschaftliche Einteilung nach geistigen und körperlichen Fähigkeiten, wurden die Unterschiede im Laufe der Geschichte von vielen als Freibrief für Unrecht und Ausbeutung verstanden. Heute stimmen viele Hindus mit dem überein, was schon alte Schriften immer wieder lehren: „Hat ein Vater vier Kinder, so ist die Kaste (Jati) seiner Kinder eine. Gottes Kinder sind alle Menschen; wenn dieser Vater der Eine ist, dann gibt es keine Kastenunterschiede.“ (Bhavisyapurana Brahmaparva 41.45).

Die Weisen der Hindus sind in der Frage, was für Individuum und Gesellschaft wichtig ist, weitgehend zu den gleichen Ergebnissen gekommen, wie die Lehrer anderer Religionen und das Weltethos. Dieses gemeinsame Ethos muss jedoch nicht nur entdeckt und aufgezeigt, sondern es muss vor allem gelebt werden. (Bimal und Christina Kundu)

Der Ganges der Rechte entspringt im Himalaya der Pflichten

(Mahatma Gandhi)

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