(Newsletter 2010-2)
KANTs zweite Unterformulierung des Kategorischen Imperativs fordert, eine Person niemals bloß als Mittel zu gebrauchen, sondern immer als Selbstzweck zu achten.
Im Augenblick fokussieren die Medien massiv auf sexuelle Übergriffe und Machtmissbrauch. Unsere Aufgabe kann nicht sein, die Faktizität dieser Anschuldigungen zu überprüfen – das ist Aufgabe der Rechtssprechung -, wohl aber zu fragen, WARUM solche Übergriffe vorkommen.
Bei genauerem Überdenken zeigt sich, dass Pädophilie und Gewalt gegenüber Wehrlosen eine gemeinsame Wurzel haben – der im Konsummaterialismus wachsende vermeintliche Anspruch auf schrankenlose Selbstverwirklichung, die immer zu einer Verdinglichung der Mitmenschen führt. Menschen, vor allem solche, die sich nicht wehren können, werden nicht als Personen behandelt, sondern als Mittel zur Befriedigung des Sexual- und / oder Aggressionstriebes – sie werden also verdinglicht. Daher gilt KANT’s Kategorischer Imperativ sowohl in seiner allgemeinen als auch in seiner zweiten Unterformulierung unabhängig von jeder Weltanschauung für JEDEN Menschen. Darüber hinaus weist KANT darauf hin, daß die unmenschliche Behandlung einer anderen Person die Menschlichkeit in mir zerstört!
Daher hatte KANT Recht, Ethik nicht in einer bestimmten Religion zu fundieren, sondern umgekehrt – keine Religion und keine andere Weltanschauung darf diesem Ethos widersprechen, sonst würden sie inhuman. Dazu Hans KÜNG: Eine menschliche Religion ist eine gute, eine unmenschliche Religion eine schlechte.
Auf lange Sicht wird der Missbrauch des Sexual- und Aggressionstriebes daher nur eingedämmt werden können, wenn möglichst viele Menschen zu diesem allgemeingültigen Ethos erzogen werden und es innerlich bejahen – die damit verbundene Selbstbeschränkung eingeschlossen.
Artikel 4 der Allgemeinen Erklärung der Menschenpflichten: Alle Menschen, begabt mit Vernunft und Gewissen, müssen im Geist der Solidarität Verantwortung übernehmen gegenüber jedem und allen, Familien und Gemeinschaften, Rassen, Nationen und Religionen: Was du nicht willst, dass man dir tu’, das füg auch keinem anderen zu.
(Sr. Katharina Deifel)
Die Pornographisierung der Gesellschaft hat zur Brutalität und zur Empathieunfähigkeit (Einfühlungsunvermögen – A.d.R.) geführt
(Alice Schwarzer)