Nach einer „klassischen“ Definition von Harold Lasswell ist Politik die Entscheidung darüber, „Who Gets What, When, How“. Politik ist die Verteilung materieller und immaterieller Güter. Politik ist deshalb immer auch ein Verteilungskonflikt – wer bekommt eine Baubewilligung, für welche Einkommensgruppe wird der Steuersatz erhöht oder gesenkt, welcher Stadt wird die Finanzierung einer Universität zugesagt, welche Form vorschulischer Kinderbetreuung wird subventioniert.
Im demokratischen Rechtsstaat müssen solche Entscheidungen auf der Grundlage abstrakter Normen erfolgen. So soll Willkür verhindert werden. Doch in der Realität gelingt dies nicht perfekt. Das ist auch mit kulturellem Wandel verbunden: Vor zwei, drei Generationen war es in Österreich weitgehend akzeptiert, dass im Zuge des historisch erklärbaren „Proporzes“ Positionen im staatsnahen Bereich parteipolitisch besetzt wurden – und nicht im Zuge eines Ausschreibungsverfahrens, das auf objektivierbare Qualifikationen abgestellt war. Heute wird das Fehlen eines fairen Ausschreibungsverfahrens immer mehr als Korruption empfunden.
In der Gesellschaft ist das Verhaltensmuster „do ut des“ tief verankert – ich gebe, damit Du gibst. Der demokratische Rechtsstaat kann und will dies nicht generell verhindern, er will aber dieses Kosten-Nutzen-Kalkül durchschaubar und kontrollierbar machen. In der Demokratie ist es selbstverständlich, dass Parteien vor Wahlen Versprechungen machen, um auf diese Weise Stimmen zu gewinnen. Das ist demokratisch legitim. Nicht legitim ist aber, wenn sich Parteien im politischen Wettbewerb Gelder sichern, um gegenüber anderen Parteien Wettbewerbsvorteile zu haben. Nicht legitim ist, wenn Regierungsparteien unter dem Vorwand der „Information“ Medien subventionieren, um sich eine regierungsfreundliche Berichterstattung zu erkaufen. Diese Formen der Korruption – die nicht legale Finanzierung von Parteien und die parteipolitisch motivierte „Anfütterung“ von Medien – ist eine Gefährdung der Demokratie. Denn diese setzt sowohl freie als auch faire Wahlen voraus.
Der Fortschritt von Demokratie und Rechtsstaat lässt sich an der Zurückdrängung von Korruption messen. Dieser Fortschritt braucht eine wachsende gesellschaftliche Sensibilität – gegenüber der Käuflichkeit von Positionen, gegenüber jeder manipulierten Wettbewerbsverzerrung in Wirtschaft und Politik, und gegenüber durch finanzielle Zuwendungen verfälschten politischen, administrativen oder richterlichen Entscheidungen. Hinweise wie „Das hat es schon immer gegeben“ oder „Das machen andere ja auch“ ändern nichts daran, dass dies Korruption ist und die Qualität der Demokratie gefährdet.
(Anton Pelinka)
Ohne Sittlichkeit hat das Recht auf Dauer keinen Bestand.
(Erklärung zum Weltethos)