„Integration“ ist ein belastetes Wort. Im medialen und politischen Sprachgebrauch wird es in der Regel mit der Einfügung und Anpassung minoritärer Gruppen in und an eine Gesellschaft assoziiert. Im Hintergrund herrscht die Vorstellung einer statischen Gesellschaft, die zu einem homogenen Ganzen (z.B. „das Volk“) essentialisiert wird, in die nun – möglichst störungsfrei – die „Fremden“ eingegliedert werden sollen. Ein solches Konzept wird Assimilation genannt und erzeugt in einer freien Gesellschaft sehr oft massive Widerstände auf Seiten der „zu integrierenden“ und forciert dann Konflikte und Polarisierungen.
Aus sozialwissenschaftlicher Sicht ist Integration ein „Gesamtprogramm“ einer Gesellschaft – und zwar auch unabhängig von Migration. Integration beschreibt im Idealfall den Prozess der Partizipation aller Mitglieder einer Gesellschaft an deren ökonomischen, rechtlichen, politischen Strukturen und materiellen wie kulturellen und sozialen Ressourcen. Integrations“bedürftig“ sind in besonderer Weise jene Gruppen, die rechtlich, sozial, politisch, kulturell, religiös marginalisiert sind.
Der Prozess der Integration vollzieht sich auf mehreren Ebenen:
a) auf der sozialen Ebene, auf der sich Gruppen und Gemeinschaften bilden, die dem Einzelnen Teilhabe an den kulturellen und materiellen Gütern der Gesellschaft ermöglichen und gesellschaftliche Interessen vertreten;
b) auf der politischen Ebene werden in Entscheidungsprozessen verschiedene Gruppeninteressen verhandelt und transformiert, wozu es der Teilhabe aller Gruppen an den rechtlichen und politischen Strukturen der Gesellschaft bedarf;
c) auf der systemischen Ebene, auf der Minoritäten aktiv beteiligt werden müssen, damit sich keine segregierten Gruppen bilden. Dies geschieht durch strukturelle Anerkennung von Unterschieden. Im Zuge dieses Prozesses verändert sich die ganze Gesellschaft und etwas Neues, Drittes entsteht. Ein solcher Prozess bedarf wechselseitiger Bereitschaft. Sowohl die Mehrheitsgesellschaft als auch die Minderheit müssen sich auf die damit verbundenen Veränderungen für alle einlassen. In der Realität bedeutet Integration daher immer auch einen Kampf um Teilhaberechte und –möglichkeiten.
Sollen der soziale Friede und gutes, gerechtes Zusammenleben für alle gewahrt bleiben, ist sie eine beständige Aufgabe. Die daraus resultierende Auseinandersetzung zwischen dem Recht auf Gleichheit und dem Recht auf kulturelle Differenz gehört zur „Normalität“ einer demokratischen Gesellschaft. Im Idealfall verändert sich dabei die ganze Gesellschaft hin zu mehr Humanität, Gerechtigkeit und Frieden. Die kulturellen Traditionen aller Beteiligten werden „zivilisiert“, denn jede Kultur hat unethische Anteile. Angesichts der epochalen Transformationsprozesse in Europa stehen alle vor der Aufgabe, sich gemeinsam in eine neue Gesellschaft zu integrieren, deren Gestalt sich erst entwickelt und die noch nicht erkennbar ist (Regina Polak).