(Newsletter 2016-1)
Das Wort „Fundamentalismus“ wurde von amerikanischen Protestanten zu Beginn des 20. Jh. geprägt. Die Bewegung jedoch entstand zu Beginn des 19. Jh. und richtete sich gegen den erstarkenden Modernismus in Religion und Theologie, d.h. gegen das Eindringen der Aufklärung in die Religion. Sie war die Antwort auf eine Entwicklung, die „ihr Selbstbewusstsein und ihre Norm aus sich selbst“ (J.Habermas) schöpfte. Ohne festen Halt in einer zunehmend sich öffnenden Welt musste der moderne Mensch sein Leben führen, so ferne er die Vernunft nicht verraten wollte. Diese Spannung aber hielt der Mensch nicht aus, weshalb er in den Fundamentalismus flüchtete, d.h. sich der Last des Denkens, Zweifelns, vielleicht sogar Verzweifelns entzog und in eine blinde, irrationale Gläubigkeit, ja Hörigkeit begab. Dieser Fundamentalismus blieb allerdings nicht auf die Religionen beschränkt, sondern breitete sich in allen möglichen Weltanschauungen und Ideologien aus. Es gibt inzwischen auch den atheistischen Fundamentalismus, den faschistischen, marxistischen, ökologischen usw.
Dabei geht es immer um die Verabsolutierung von Ideen und Normen, die auf einem falschen Menschenbild beruhen, d. h. den Menschen mit all seinen Wünschen, Hoffnungen, Sehnsüchten, Leiden, Fragen und Irrtümern nicht berücksichtigen. Dieser Mangel an Menschlichkeit macht den Fundamentalismus so gefährlich, vor allem wenn er militant wird.
Demgegenüber steht die Erklärung zum Weltethos mit den allen religiösen und nicht-religiösen Traditionen gemeinsamen Forderungen nach Menschlichkeit, Gegenseitigkeit (Goldene Regel), Gewaltlosigkeit, Gerechtigkeit, Wahrhaftigkeit und gegenseitiger Achtung. Hans Küng erklärt, nur eine menschliche Religion sei eine gute, eine unmenschliche Religion hingegen eine schlechte. Das könnte man auf alle Fundamentalismen und Ideologien ausdehnen. Die Menschlichkeit ist somit der Maßstab, der an sämtliche Weltanschauungen anzulegen ist.
Der Konfuzianismus nimmt überhaupt Menschlichkeit und Unmenschlichkeit als Kriterium für die Unterscheidung zwischen gut und böse. Unter Menschlichkeit versteht er Mitmenschlichkeit und Rücksichtnahme. Der Daoismus fügt hinzu: Bescheidenheit, Güte, Vertrauen und Menschenliebe.
So gibt es einen chinesischen Weisheitsspruch, der sagt: Gute Menschen sind glückliche Menschen, böse Menschen sind unglückliche Menschen.(Edith Riether)
Wir müssen die Religionen an ihr humanitäres Potential erinnern!
(Hans Peter Dürr, alternativer Nobelpreisträger)