(Newsletter 2011-2)
Die Problematik hat sich in früheren Zeiten nicht gestellt, da die Menschen in einem bestimmten Gebiet Anhänger einer bestimmten Religion waren und von dieser ziemlich unhinterfragt ihre Wertmaßstäbe bezogen. KANT scheint die Schwierigkeit einer allgemeinverbindlichen Moral vorausgeahnt zu haben, die in einer pluralistischen Gesellschaft entsteht. Es sind zweihundert Jahre vergangen, bis diese Problematik allgemein bewusst wurde und die UNO eine vereinfachte KANTsche Ethik zur Basis eines Weltethos wählte. Diese ist dann zugleich das Maß, wie weit Toleranz gehen kann.
Ausgangspunkt ist die Gemeinschaftsbezogenheit des Menschen. Während Tier“staaten“ instinktgesteuert funktionieren, muss der Mensch jede Form von Gemeinschaft bewusst und frei bilden. Unverzichtbare Voraussetzung dafür ist, dass zusammenlebende Menschen solche Normen anerkennen, die ein weitgehend konfliktfreies Zusammenleben überhaupt erst ermöglichen – Gesetze. Sie müssen, eben um Gesetze zu sein, bei aller historischen und kulturellen Verschiedenheit dem einen Ziel dienen, das friedliche Zusammenleben von Menschen herbeizuführen. Dieses Ziel ist daher der allgemeine Beurteilungsmaßstab („Rechtsgrundsatz“), ob ein konkretes Gesetz rechtens ist oder nicht. Das bedeutet aber: Alle Glieder einer Gemeinschaft müssen ihre äußere Freiheit so weit einschränken, dass sie mit der äußeren Freiheit der anderen zusammenbestehen kann.
Zur Erhaltung bzw. Wiederherstellung des Rechtszustandes bedarf es des Staates – d.h. einer Rechtsgesellschaft, die erstens an der Erhaltung / Wiederherstellung des Rechtszustandes interessiert und zweitens mächtiger als die einzelnen Rechtsbrecher ist. Da es auf der Rechtsebene nur auf die Freiheitsäußerungen oder Taten ankommt, können und sollen Gesetze sanktionsfähig sein, wozu ein Staat nötig ist.
Wenn jedoch alle Glieder einer Rechtsgesellschaft zum Recht gezwungen werden müssen – wer zwingt dann wen? Dieses Problem löst nur die Sittlichkeit, die vom Menschen ein allgemeingültiges Handeln fordert. Während sich also das Rechtsgesetz mit der äußeren Befolgung, die erzwingbar ist, begnügen muss, fordert das Sittengesetz die Einheit von Tat und Gesinnung. Formulierbar etwa so: Handle so, wie jeder Mensch an Deiner Stelle handeln müsste.
Daher ist leicht einzusehen, dass ein Weltfriede ohne Weltethos, d.h. ohne diese allgemein verbindliche ethische Wertordnung, unmöglich ist.
Zusammenfasssend wäre also zu sagen: Toleranz kann nur so weit gehen, als ein friedliches Zusammenleben der Menschen verschiedener Weltanschauungen nicht gestört ist.
(Sr. Katharina Deifel)