(Newsletter 2011-3)
„Nachhaltigkeit“ gehört nicht zu meinen Lieblingsbegriffen. Die Arbeit mit Unternehmen hat mich gelehrt, dass „Nachhaltigkeit“ kaum zu gebrauchen ist: zu unbestimmt, schwer zu verstehen, aber leicht zu verbiegen. Die Sache wird klarer, wenn von „Nachhaltiger Entwicklung“ die Rede ist: Als politische Vision mit einer lebendigen Spannung ökonomischer, ökologischer und sozialer Ziele ist sie ein plausibles Zukunftskonzept.
Die Vision der Nachhaltigen Entwicklung ist, dass Zukunft gelingt: Alle sollen ausreichend davon haben. Seit sich dasKonzept aus der ökologischen Alleinverfügbarkeit emanzipiert hat, können auch Unternehmen daran anschließen. Das Spannende an der Idee der Nachhaltigen Entwicklung ist, dass sie ihre drei Dimensionen braucht, und diese einander: Wenn Zukunft für alle gelingen soll, müssen wir erfolgreich wirtschaften, solidarisch handeln und ökologisch vorsorglich leben. In Wahrheit funktioniert keine Dimension ohne die anderen, alle drei brauchen, stützen und fördern einander.
Nachhaltige Entwicklung ist ein sozialethisches Konzept und geht uns alle an: Politik, Wirtschaft, Zivilgesellschaft, Bürgerinnen und Bürger sind gleichermaßen herausgefordert. Die Wege hin zu dieser Vision sind vielfältig: das freiwillige Engagement von einzelnen, Gruppen oder Unternehmen, gesetzliche Regelungen, internationale Vereinbarungen.
Das „Projekt Weltethos“ von Hans Küng ist eine Schwester der „Nachhaltigen Entwicklung“. Es ist wohl kein Zufall, dass beide Modelle Anfang der 1990er Jahre bekannt wurden. In den vom „Parlament der Weltreligionen“ in Chicago verabschiedeten Kernoptionen der „Erklärung zum Weltethos“ findet sich vieles, das auch der „Nachhaltigen Entwicklung“ wichtig ist: Die Kultur der Ehrfurcht vor dem Leben zielt auf die ökologische Zukunft. Die soziale Perspektive wird mit den Optionen für Solidarität, Toleranz, Gleichberechtigung und Partnerschaft von Mann und Frau mehrfach betont. Die Forderung nach einer gerechten Wirtschaftsordnung war Hans Küng vor und nach der Krise wichtig (siehe: Küng, H., Anständig Wirtschaften. Warum Ökonomie Moral braucht, München 2010).
Nachhaltige Entwicklung und Weltethos thematisieren die Zukunft. Und beide haben Zukunft.
(Christian Friesl)
Nachhaltigkeit ist weder ein ökonomisches, noch ein ökologisches, nicht einmal ein wissenschaftliches Konzept, sondern eine ethische Forderung
(Ortwin Renn)